Kulturkampf in Österreich

Von der steigenden Radikalisierung junger Menschen und der politischen Polarisierung im Land. Und den Konflikten zwischen Kulturen und Identitäten. Mit Auswirkungen auf den Pride-Monat und die LGBTIQ-Rechte. Ein kritischer Blick auf die aktuelle Situation in Österreich.

von
Peter Arp
und

War ja nur eine Frage der Zeit. Kaum ist die Regenbogenparade in Wien vorbei, werden Anschlagspläne auf die beeindruckend lebendige Kraft der Buntheit bekannt. Okay, gepöbelt wurde auch bei früheren Paraden, vom Straßenrand aus, kleinere Rangeleien inklusive. Nichts  brutal Übergriffiges, eher erwartbare Gegenreaktion auf soviel "Provokation".

Ein islamistischer Anschlag?

Nun aber: drei Jugendliche zwischen 14 und 17, österreichische Staatsbürger mit bosnischem und tschetschenischem Hintergrund, sollen einen islamistischen Anschlag auf die Feiernden geplant haben. Was sie nicht zugeben. Sich in einschlägigen Chats geäußert zu haben, schon.

Radikalisierung im Netz

Es fällt auf: Radikalisierung wird jünger. "Die demografische Spannweite bei Islamisten ist mittlerweile viel breiter als vor 10 Jahren", sagt der Extremismusforscher Peter R. Neumann. Hier kommt das Netz ins Spiel, die Plattformen, auf deren die Kids zu Hause sind, Tik Tok vor allem. Dort gehen sie Hass-Predigern auf den Leim, die gezielt nach ganz jungen Menschen Ausschau halten, für den Kampf gegen verruchte westliche Werte.

Wo ist hier das Generationen-Thema? Ich kenne islamische Sozialvereine, in Wien, da haben sich mit viel Engagement und wenig staatlicher Förderung, Ältere um gefährdete, orientierungslose Jüngere gekümmert. Haben sie von der Straße geholt, haben sie beschäftigt, haben zugehört. Bis ihnen die Subventionen gestrichen wurden und viele dieser Jugendlichen wieder dort landen, woher sie kamen.

"Kopftuchmädchen" und "Messermänner"

Gleichzeitig wird der gesamten Community - den "Kopftuchmädchen" und den "Messermännern" - gern vorgeworfen, sich jeder Integration zu verweigern, nicht dazuzugehören und nicht dazugehören zu wollen. Wer so sozialisiert wird, tut sich schwer, Zugehörigkeitsgefühle für die Mehrheitsgesellschaft zu entwickeln. Es wäre schon viel gewonnen, wenn wir uns darauf einigen könnten, in gegenseitigem Respekt für kulturelle Differenzen, wenn schon nicht miteinander, dann mindestens nebeneinander zu leben.

Österreich ist vielfältig. Wirklich.

Tja, wenn. Wenn kulturelle Diversität als das gesehen würde was sie längst schon ist: ein Fakt. Österreich ist tatsächlich ein Land der Vielfalt. Der Ausländeranteil in Wien liegt aktuell bei 34.3 Prozent. Aber die parteipolitisch instrumentalisierte Kulturkampf-Rhetorik gegen "Überfremdung" und für "wahre österreichische Identität" greift, wie anderswo in Europa, auch hier um sich. Herbeifantasiert wird  - von der FPÖ - eine "Festung Österreich".

Die Wende nach rechtsaußen

Einer FPÖ, die sich stetig radikalisiert und einer sich ebenso stetig nach rechts bewegenden ÖVP. Beide Parteien erzeugen im Wettlauf um die Stimmen zunehmend verunsicherter Wähler:innen durch Polemik Probleme, die es sonst nicht gäbe. Anschließend beschwören sie das gesunde Volksempfinden "der Menschen da draußen", um zu retten was zu retten ist. Um Österreich vor dem "Klima-Kommunismus" zu bewahren (@FPÖ), um Wokeness in die Schranken zu weisen, hart erkämpfte LGBTIQ-Rechte zurückzuschrauben und der "Gender-Unkultur" (@ÖVP) Einhalt zu gebieten.

Was Wunder, dass der aktuelle österreichische Extremismus Bericht daher vor islamistischem Terror ebenso warnt wie vor rechtsextremer Gewalt. Beide Gefahren nehmen zu. Und sind damit Spiegelbild einer immer krasser polarisierten Gesellschaft.

Die Pride als Feindbild

Juni ist Pride-Monat, die von 300.000 Menschen gefeierte Regenbogenparade ein unübersehbares Zeichen dafür. Einerseits. Andererseits werden die Gräben in der Gesellschaft tiefer, wird diese Buntheit zum Feindbild stilisiert. Transmenschen geraten gerade ganz besonders ins kulturkämpferische Fadenkreuz, sie scheinen alles zu repräsentieren, was das "gesunde Empfinden" verachtet.

Identität, Gender und Stimme im Dialog

In unserer aktuellen Wild & Weise-Episode werfen wir daher einen genauen Blick darauf, was Transition für Menschen auf der Suche nach ihrer neuen Identität bedeutet. Und wie eine Stimmtherapeutin sie auf diesem Weg begleitet, damit sie ihre unverwechselbare Stimme finden. Unser Beitrag zum Thema des Monats. Wir hören uns.