Und noch vier Tage. Die letzten.

Am Schluss kommt's wieder anders als geplant. Die Geflüchteten haben das Schiff verlassen, die Crew würde es auch gern tun. Kann aber nicht. Die Sea_Eye 4 muss nochmal auf See.

von
Hanna Winter
und

Es sind einige Tage vergangen, seitdem unsere 58 Gäste die Sea-Eye 4 verlassen haben.

Eigentlich war geplant, am Tag nach der Disembarkation (wenn die Geretteten an Land gehen) nach Palermo weiterzufahren. Die Infrastruktur dort war bis jetzt ein guter Ort um den Crewwechsel für die Missionen und alle Einkäufe und Besorgungen zu machen.

Alle freuten sich nach 5 Wochen an Bord bald wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, einen Spaziergang zu machen, Pizza zu essen und auf ein kühles Getränk.

Kurz vor Palermo kam allerdings die Nachricht, dass der Werfthafen - wo wir normalerweise liegen - keinen Liegeplatz für uns hätte. Wir warteten also den ganzen Tag vor Palermo ab und suchten nach einem neuen Hafen.

Mitarbeiter an Land versuchten von Deutschland aus einen anderen Liegeplatz auf Sizilien für uns aufzutreiben, vergeblich. Kein Hafen hatte Platz für uns.

Nach einem Tag der Unsicherheit dann die Entscheidung, dass wir in unseren Werfthafen nach Spanien übersetzen. Die Bedingungen in Burriana sind super, es gibt ein großes Netzwerk an Unterstützer*innen für unsere Arbeit und geringe Liege-Gebühren.

Der Nachteil: die Überfahrt dauert bei gutem Wetter rund 4 Tage und kostet zusätzlich Treibstoff.

Die ganze Reise im Überblick: Von Sizilien ins Einsatzgebiet vor Libyen und zuletzt nach Burriana in Spanien: Ende der aktuellen Mission. Quelle: googlemaps

Wir konnten also nicht in den Hafen von Palermo einfahren, um Crewmitglieder, die bald abreisen mussten, an Land zu lassen. Also wurde ein Shuttle organisiert, der einen Teil der Crew am nächsten Tag abholte, bevor wir nach Spanien weiter fuhren.

Ein kurzer und spontaner Abschied - irgendwie komisch, sich nach fünf intensiven Wochen mit ups and downs so 'Tschüss' zu sagen.

Lange Reise, kurzer Abschied: Der Shuttle für die Crew.

Seit ca. einer Woche ist der Kühlschrank ziemlich geleert. Ein paar Kohlköpfe und Karotten haben die Reise durchgehalten und die letzte Melone wird aufgeschnitten.

Ich koche nun mit den Vorräten aus dem Tiefkühlraum und aus Dosen. Wir freuen uns besonders darauf, bald in Spanien wieder richtig frisches Obst und Gemüse genießen zu können.

Die Tage nach der Disembarkation und die Überfahrt nach Burriana nutzen wir, um das Schiff aufzuräumen, sämtliche Räume grundzureinigen, Inventur zu machen, und die ganze Wäsche (Arbeitsjacken und -overalls, Bettsachen, Wetsuits etc.) zu waschen.

Wir schreiben unsere Handover für die nächste Crew, und die kommende Mission wird vorbereitet. Es wird gestrichen, kleine Reparaturen werden durchgeführt und auch der Feuer- und 'Abandon the Ship'-Drill stehen wieder auf dem Programm.

Die professionelle Schiffscrew muss regelmäßig den Ernstfall üben. So wird immer an einem anderen Ort im oder auf dem Schiff ein fiktives Feuer gelöscht, die Ausrüstung getestet. Die Crew übt, wie im Erstfall vorzugehen ist, wenn etwa der Löschversuch nicht erfolgreich sein sollte und die Besatzung das Schiff verlassen muss.

Die Mission ist zu Ende. ©Hanna Winter

Wenn ich auf die vergangenen 5 Wochen zurückblicke bin ich erstaunt, was wir alles erlebt haben. Manches scheint so surreal - ich bin fast überrascht, es selbst erlebt zu haben.

Das leere Boot, das wir gesehen haben. Die nächtliche Suche. Das hell aufleuchtende SOS-Signal: Diese zwei besonderen Rettungen, vor allem die zweite bei Nacht, bleiben mir intensiv in Erinnerung.